Kleiner Verfahrensfehler: Jetzt droht Berlins Wohnungsmarkt das Chaos

SIn mehr als 400 Städten und Gemeinden gilt seit mehr als sieben Jahren die Mietpreisbremse, die vielen Vermietern ein Dorn im Auge ist. Gerade in stark nachgefragten Märkten wollen sie deutlich mehr Geld für Neuvermietungen verlangen, aber genau das gilt es zu bremsen.

Hausverwaltungen, private Vermieter und Wohnungsunternehmen haben in mehreren Gerichtsverfahren versucht, die Mietpreisbremse zu stoppen und dabei häufig die Regelungen in den Bundesländern angegriffen Denn die Mietpreisbremse ist ein Bundesgesetz, aber die Bundesländer müssen es mit fundierten Regelungen umsetzen.

Wie so oft kommen in Berlin viele Faktoren zusammen, und wieder einmal scheint die Hauptstadt in keinem guten Licht zu stehen. Wie der „Tagesspiegel“ erklärte, erklärte das Landgericht Neukölln, die Mietpreisbremse in Berlin sei nackt. Die Verordnung muss gut begründet werden und diese Begründung muss öffentlich zugänglich sein. Das sei damals, im Juni 2015, jedoch nicht der Fall gewesen, sagten die Richter dem Bericht zufolge. (9 C 489/20).

Steht der Hauptstadt nun das nächste Verwaltungschaos bevor, nach dem vor knapp zwei Jahren gescheiterten Mietendeckel mit Festpreisvorgaben und nach den ebenfalls gescheiterten Wahlen im September 2021? Würde die vor mehr als sieben Jahren eingeführte Mietpreisbremse nicht greifen, könnten auch zehntausende in dieser Zeit abgeschlossene Mietverträge hinfällig werden.

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„Das Chaos auf dem Wohnungsmarkt in Berlin hält an“, sagte Daniel Föst, wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. “Rot-Rot-Grün verliert sich in einem ideologischen Kampf, der letztlich ins Leere läuft.”

Bei genauerem Hinsehen geht es jedoch weniger um Ideologien als vielmehr um strikte administrative Vorgaben. Und andere Bundesländer sind daran schon gescheitert.

Angemessene Mietpreisbremse schwer zu finden

Hamburg, das als vorbildlich auf dem Wohnungsmarkt gilt, musste nach einem entscheidenden Gerichtsverfahren die Preisbremsenverordnung ändern. Unwirksame Regelungen gab es auch in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Auch Niedersachsen musste in Haft bleiben – eine gültige Mietpreisbremse besteht demnach erst ab Januar 2021.

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„Länder wie Berlin haben offensichtlich die formalen Voraussetzungen für den Erlass der Mietpreisbremse auf die leichte Schulter genommen, die jetzt mit aller Macht verkauft wird“, sagt Jan-Marco Luczak, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bauen und Wohnen.

Und weiter: „Die Voraussetzungen für die Verkündung der Mietpreisbremse sind keine reine Formsache. Die Veröffentlichungspflicht und die qualifizierte Begründung sind zentral, um den mit der Immobilie verbundenen Eingriff legitimieren zu können.“

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Im Fall Berlin geht es dem “Tagesspiegel”-Bericht zufolge um ein überraschendes Detail, das im tagesaktuellen Marktgeschehen keine Rolle hätte spielen dürfen: Vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse hatte der Senat eine Begründung aufs Spiel gesetzt.

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Doch laut den Neuköllner Richtern war der Link dazu zumindest kurz vor Inkrafttreten der Preisbremse im Juni 2015 nicht über Suchmaschinen auffindbar. Danach nicht mehr. Kann ein solches Detail eine Verordnung ankündigen, auf die sich eine Millionenstadt seit mehr als sieben Jahren verlässt?

Ein ewiger Zankapfel

Henrik Solf, Rechtsanwalt für Mietrecht in Berlin, findet das absurd: „Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 in einer Entscheidung entschieden, dass die Berliner Regelung alle notwendigen formellen und materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllt“, sagt Solf. „Das Landgericht und der Bundesgerichtshof haben die Umsetzung von Berlin bereits geprüft und für zulässig erklärt.“

Verfahren wie in Neukölln gehören laut Solf nicht mehr zum Aufgabenbereich der Verwaltungshygiene: „Hier scheint versucht worden zu sein, einen kleinen Haken in der Umsetzung zu finden – und das in einer Zeit, die mehr als sieben Jahre zurückliegt.“ , er. er sagt „Ich halte es zumindest für fragwürdig. Die Barrierefreiheit im Jahr 2015 lässt sich nicht seriös feststellen.“

Seit ihrer Erfindung ist die Mietpreisbremse ein Zankapfel zwischen Mietern und Vermietern, vor Gericht und in der Politik. Im Grunde ist die Regel einfach: Bei der Preisbremse darf die Miete für einen neu abgeschlossenen Mietvertrag nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Quelle: Infografik WELT

Allein die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bereitet jedoch aufgrund fehlender Daten Probleme. In Bremen beispielsweise gibt es keinen qualifizierten Mietspiegel. Manche Vermieter schicken Gutachter ins Rennen und suchen möglichst teure vergleichbare Wohnungen in der Nachbarschaft.

Und Ausnahmen gibt es zum Beispiel bei Neubauten ab Oktober 2014, bei Komplettmodernisierungen oder bei Mieten, die schon vor Vertragsabschluss über der Preisgrenze lagen. Nach einigen Verbesserungen im Bundesgesetz müssen Arbeitgeber diese Ausnahmen besser erläutern, was aus Sicht des Deutschen Mieterbundes aber nicht ausreicht. „Wir wissen, dass die Ausnahmen ersatzlos gestrichen werden“, sagt Sprecherin Jutta Hartmann. „Außerdem muss die Mietpreisbremse landesweit und flächendeckend gelten.“

Eine Studie hat kürzlich gezeigt, dass die Mietpreisbremse von Vermietern offenbar oft umgangen wird. Am Beispiel Düsseldorf haben Marktexperten errechnet, dass mindestens jede vierte Wohnung zu einem höheren Preis angeboten wird. Ohne Sanktionen haben Arbeitgeber keinen finanziellen Anreiz, sich an das Gesetz zu halten.

Der Berliner Fall, der den Streit vor dem Gericht in Neukölln aufgeworfen hat, zeigt dies eindrucksvoll: Hier hatte ein Ehepaar von seiner Hausverwaltung verlangt, die monatliche Nettokaltmiete um etwa 230 Euro auf knapp 310 Euro zu senken. Die Wohnungsgesellschaft wehrte sich. Und das muss nun die nächsten Fälle besetzen.

Wo die Mietpreisbremse greift – und seit wann

Baden-Württemberg: Die Stuttgarter Landesregierung hat im September 2015 eine Mietpreisbremse veröffentlicht. Im März 2019 wurde diese jedoch vom Landgericht für ungültig erklärt. Es wurden Verbesserungen vorgenommen, und ab dem 4. Juni 2020 gab es eine für 89 Städte und Gemeinden gültige Verordnung.

Bayern: Die Mietpreisbremse wurde im August 2015 eingeführt. Doch während man in Bayern noch über die Berliner Verwaltung höhnte, hob das Landgericht München die Regelung auf. Eine gültige Preisbremse gilt daher erst ab dem 7. August 2019. Ursprünglich galt dies für 137, mittlerweile aber für 162 Städte und Gemeinden.

Berlin: Bislang galt Berlin als Musterland. Als eine der wenigen Landesregierungen gelang es dem Senat, von Anfang an eine gültige Regelung zu erwirken. Die Mietpreisbremse gilt für Mietverträge, die nach dem 1. Juni 2015 abgeschlossen wurden. Ein Rechtsstreit in Berlin endete vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Preisbremse im August 2019 grundsätzlich für verfassungskonform befand.

Brandenburg: Probleme gab es auch bei der Veröffentlichung der Begründung der Preisbremse in Brandenburg. Die eigentlich Ende 2015 eingeführte Preisbremse war daher wirkungslos und wurde 2019 wieder eingeführt – für insgesamt 19 Städte.

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Bremen: Wie in Berlin hat der Bremer Senat eine bis heute gültige Regelung erwirkt. Einen gültigen Mietspiegel hat die Stadt aber nicht, und so gibt es auch häufig Streit – nur eben nicht über die Mietpreisbremse, sondern über die zulässige Miethöhe.

Hamburg: Auch hier gab es Begründungsprobleme, die Hansestadt musste später liefern. Deshalb gibt es hier seit dem 3. Juli 2018 nur noch eine gültige Mietpreisbremse.

Hessen: Für 49 Städte und Gemeinden gilt eine Mietpreisbremse – ab dem 28. Juni 2019. Die zuvor erlassene Regelung wurde vom Gericht eingezogen.

Mecklenburg-Vorpommern: Relativ spät, am 1. Oktober 2018, führte das Land eine Preisbremse für Rostock und Greifswald ein. Schwerin hat offenbar von anderen Ländern gelernt – die Regelung wurde bisher nicht erfolgreich angefochten.

Niedersachsen: Die Mietpreisbremse gilt in elf Städten und auf den ostfriesischen Inseln, allerdings erst ab dem 1. Januar 2021 und damit erst im zweiten Anlauf. Mitte 2022 erklärte auch das Landgericht Hannover die Begründung der Mietpreisbremse für unzulässig.

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Nordrhein-Westfalen: In vielen Städten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes herrscht Wohnungsnot, doch die kürzlich gewählte schwarz-gelbe Landesregierung hat die Liste der Städte mit Mietpreisbremse auf 18 Kommunen gekürzt. Die Regierung hatte es zuvor versäumt, eine Erklärung zu veröffentlichen. Die Folge: Erst ab dem 1. Juli 2020 gab es eine gültige Mietpreisbremse.

Rheinland-Pfalz: Mit der Mietpreisbremsregelung gibt es keine Probleme. Sie gilt in Mainz, Landau, Trier und Speyer ab dem 1. Oktober und in Ludwigshafen ab dem 8. Oktober.

Schleswig-Holstein: Ab dem 11.11.2015 gab es eine Mietpreisbremse (gültig), die jedoch von der schwarz-gelben Landesregierung zum 30.11.2019 abgeschafft wurde. Die Preisobergrenze gilt nur für die in diesem Zeitraum abgeschlossenen Verträge.

Thüringen: Seit dem 31. März gilt die Preisbremse in Erfurt und Jena – und bislang ohne Beanstandungen.

Sachsen: Erst in diesem Jahr hat die Landesregierung am 13. Juli eine Mietpreisbremse für Leipzig und Dresden eingeführt. Bisher wurde die Verordnung nicht wiederhergestellt.

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