
Bis: 15.01.2023 18:47 Uhr
Israels Ministerpräsident Netanjahu will die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Präsident Herzog warnte wegen der Pläne vor einer Verfassungskrise. In vielen israelischen Städten protestierten Zehntausende gegen die Pläne – und gegen die Regierung.
Israels Präsident Isaac Herzog warnt angesichts der umstrittenen Justizreformpläne der rechten Regierung von Benjamin Netanjahu vor einer Verfassungskrise. „Dieser Konflikt, der die Nation zu zerreißen droht“, mache ihm große Sorgen, sagte das Staatsoberhaupt. Er sagte, er arbeite daran, durch eine Reihe von Treffen mit politischen Beamten eine „historische Verfassungskrise“ zu vermeiden.
Netanjahu will die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Geplant ist unter anderem, dem Parlament die Befugnis zu geben, Gerichtsentscheidungen mit einfacher Mehrheit aufzuheben. Außerdem sollte dem Parlament die Kontrolle über die Ernennung von Richtern übertragen werden.
Proteste gegen Justizreform in Israel – der Druck auf die neue Regierung wächst
Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, Tagesschau um 20 Uhr, 15. Januar 2023
Allerdings könnte Netanjahu bei der Reform noch helfen, wie Kritiker betonen. Möglicherweise kann er eine Verurteilung wegen Korruption vermeiden oder das Verfahren gegen ihn wird ganz eingestellt. Seit seiner Anklage im Jahr 2019 hat Netanjahu wiederholt gesagt, das Justizsystem sei voreingenommen gegen ihn.
Die Reformpläne stießen auf heftige Kritik des Chefs des israelischen Obersten Gerichtshofs, der vor einem “ungezügelten Angriff auf das Justizsystem” warnte. Auch der Generalstaatsanwalt hat sich wie viele seiner Vorgänger gegen den Plan ausgesprochen.
Der bislang größte Protest gegen die neue Regierung
Am Samstagabend protestierten Zehntausende gegen die Pläne und gegen die Regierung selbst, die Demonstrationen fanden in den Städten Haifa und Jerusalem statt – vor allem aber in Tel Aviv. Etwa 80.000 Menschen nahmen dort nach israelischen Medienberichten unter Berufung auf die Polizei teil. Es war die bislang größte Demonstration gegen die neue Regierung, die Ende Dezember vereidigt wurde.
„Netanjahu steht unter Druck“, Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu den Protesten gegen die israelische Regierung
tagesschau24 12:00 Uhr, 15.1.2023
Netanjahu zeigte sich von den Protesten unbeeindruckt, auch von der Kritik aus den eigenen Reihen. Während einer Kabinettssitzung sagte er, die Wähler würden seinen Plan bei den Parlamentswahlen im November unterstützen.
Die Reform wird korrigieren, was korrigiert werden muss. Die Rechte des Einzelnen werden umfassend geschützt und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Justizsystem wird wiederhergestellt. Reformen seien dringend, sagte Netanjahu.