
Halle/Magdeburg/Köln (dpa/sa) – Das Friseurhandwerk kümmert sich um den Nachwuchs. Obwohl der Beruf immer noch als Traumberuf für junge Menschen gilt und zu den Top 10 in Deutschland gehört, gehen die Ausbildungszahlen deutlich zurück. Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (Köln) geht nach vorläufigen Daten davon aus, dass die Zahl der Auszubildenden im Jahr 2022 um rund 20 Prozent sinken wird. 2021 zählte das Handwerk bundesweit 15.900 Auszubildende, knapp 11 Prozent weniger als im Vorjahr. Vor zehn Jahren (2011) gab es in Deutschland noch 30.500 Auszubildende.
So ist die Situation in Sachsen-Anhalt. Nach Angaben der Handwerkskammer Magdeburg haben in diesem Jahr (Stand: 30. November 2022) im Norden des Landes 54 Personen eine Friseurausbildung begonnen, etwa so viele wie im Vorjahr. Allein 2012 wurden im Kammerbezirk 123 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Nach Angaben der Handwerkskammer Halle gibt es derzeit im Süden des Landes 94 Auszubildende im Friseurhandwerk und damit nur noch etwa halb so viele Auszubildende wie noch vor Jahren.
Als Gründe nennt die Branche neben der demografischen Entwicklung auch akademische Trends, wie Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Friseurberufe, erläutert. Hintergrund ist, dass Schulabgänger eher an ein Studium als an eine Berufsausbildung denken. Der Zentralverband fordert eine Bildungswende, um die berufliche Bildung zu steigern und damit auch die Vorbereitungsbereitschaft wieder deutlich zu stärken. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sollte gesetzlich geregelt werden.
„Explodierende Energiepreise, steigende Kosten und hohe Steuern“ seien derzeit die drängendsten Probleme der Unternehmen, erklärte Burghard Gruppe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Belastung reduziert wird. „Denn gute Löhne und Gehälter in der Friseurbranche sind nur möglich, wenn sich die Kunden den Salonbesuch noch leisten können“, sagte er. „Nur ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen mit ausreichend Personal kann überhaupt eine qualitativ hochwertige Ausbildung anbieten“, so Gruppe.
Nach Angaben des Zentralverbandes blieb die Zahl der Friseurbetriebe in Deutschland bei 80.000 Salons. Allerdings schrumpfe die Größe des Unternehmens zusehends, sagte Müller. Dies wirkt sich negativ auf die Beschäftigung aus. Die Trainingsbereitschaft nimmt dramatisch ab. 2019 gab es noch 11.270 Ausbildungsbetriebe, 2021 gab es in Deutschland nur noch 9.345 Friseursalons (2020: 10.377).
Aber es gibt auch viel Mut und Risikobereitschaft in der Praxis, auch im ländlichen Raum. So wie im Friseursalon von Jutta Härzer in der Kleinstadt Wetin-Lobeijn (Saalekreis). Am 1. April 1990, wenige Monate nach dem Fall der Berliner Mauer, machte er sich selbstständig und startete „allein im Keller“. Nach drei Jahrzehnten im Beruf, mit „Höhen und Tiefen“, übernimmt Enkelin Jasmin 2023 den Friseursalon-Ausbaubetrieb.
Die 21-Jährige absolvierte nach Abitur und Ausbildung ihren Meister und gehört laut Handwerkskammer Halle zu den Besten ihres Fachs in Sachsen-Anhalt. „Für mich war immer klar, dass ich das Handwerk als Friseurin machen möchte, weil es ein kreativer Beruf ist“, sagt Jasmine Herzer. Er warte darauf, das Geschäft zu übernehmen, sagte er. “Ich bin bereit für das Risiko.” Jutta Härzer ist „sehr stolz“ auf Enkelin Jasmin und ist sich sicher, dass Kunden dem Salon treu bleiben und neue Kunden kommen werden. „Jugend geht an Jugend“, sagte der 64-Jährige. Er wird weiterhin im Salon als Angestellter und mit seiner Enkelin als Chef tätig sein.
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