
Für Rainer Maria Woelki wird es eng: Die Staatsanwaltschaft Köln hat ein Ermittlungsverfahren gegen die umstrittene Kirche eingeleitet. Nun wird der Ruf lauter, er solle sein Büro verlassen, um sich auszuruhen.
Seit Mittwoch laufen strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides Statt werde untersucht, sagte der Kölner Staatsanwalt Ulf Willuhn. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Woelki selbst wies alle Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück.
Auslöser der Ermittlungen war ein Interview mit der ehemaligen Assistentin der Personalleiterin des Erzbistums Köln, Hildegard Dahm, das am Mittwoch im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht wurde. Im Interview sagt er, er habe Woelki frühzeitig über die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Sternsinger-Chef Winfried Pilz informiert. Er “konnte es nicht mehr ertragen (…), diese Dinge aus eigener Erfahrung zu wissen, die den öffentlichen Äußerungen von Kardinal Woelki widersprechen”, sagte der Katholik. Also beschloss er, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Dem 2019 verstorbenen Champion wird Missbrauch vorgeworfen. In einem presserechtlichen Verfahren versicherte Woelki, dass der Fall erst in der vierten Juniwoche dieses Jahres verhandelt werde. Aber jetzt, sagt Dahm im Interview, habe er für Woelki im Januar 2015 persönlich eine Excel-Liste mit allen damals aktuellen Missbrauchsfällen erstellt. Auf dieser Liste würden 14 Namen stehen, darunter auch der Name Pilz. Die Liste entnahm sein Chef einem Gespräch mit Woelki. Dann fragte er seinen Chef, was Woelki zu der Liste gesagt habe. Er antwortete: “Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert.”
Streit um die Namensliste
Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ darauf hinwies, dass Woelki gesagt habe, er habe sich erst im Juni 2022 mit der Pilz-Akte befasst, antwortete Dahm: „Das stimmt nicht. Es ist möglich, dass er sich das Blatt mit Pilz und 13 weiteren Namen angeschaut hat . Aber ich habe es mir angesehen. Absolut. Deshalb war ich so überrascht von dem Selbstporträt des Kardinals vor der Öffentlichkeit.“
Das Erzbistum Köln ging in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung in die Gegenoffensive. Woelkis Sprecher sagte, er habe persönlich den Verdacht, dass der Kardinal vor seinem nächsten Besuch beim Papst in Rom in der kommenden Woche “erneut von interessierten Kreisen mit längst aufgeklärter uralter Geschichte gemobbt” werde. Das Erzbistum werde die arbeitsrechtlichen Schritte gegen Dahm prüfen: „Weil er aus dem sensiblen Bereich der Personalführung berichtet und seine Vertrauensstellung dafür genutzt hat. Das ist strengstens untersagt und kann kein Arbeitgeber tolerieren.“
Inhaltlich wies das Erzbistum darauf hin, dass Dahm selbst in dem Interview sagte, er sei sich nicht sicher, ob Woelki sich die von ihm erstellte Liste überhaupt angesehen habe. Woelki hat nie dafür gesorgt, dass Pilzs Name nicht auf einer von irgendjemandem gezogenen Liste stand. Stattdessen stellte er sicher, dass er seine Akte nicht kannte.
Bereits mehrere Anzeigen
In diesem Jahr wurde Woelki bereits mehrfach wegen Falschversicherung an Eides statt angezeigt. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich jedoch weiterhin, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, da ihrer Meinung nach die Beweise nicht ausreichten. Das Interview ändert das nun.
Es wird eng für Woelki. Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der dpa: „Ich hoffe, dass die Ermittlungen zeitnah zu einem Ergebnis führen und am Ende eine Anklage steht – zum Wohle der Betroffenen, die ein Recht darauf haben, zu erfahren, was das ist. Cardinal wusste es und was er tat, wusste er nicht.”
Bonns oberster Katholik, Stadtdekan Wolfgang Picken, sagte, Woelki sei wohl gut beraten, sich bis zur Klärung der Vorwürfe von seinen Amtspflichten zu ruhen, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Ihre Anfrage war schwer mit der Autorität des Bischofs zu vereinbaren.
Der 66-jährige Woelki, der als Erzbischof von Köln Deutschlands größtes katholisches Bistum leitet, steht seit Jahren unter Druck. Unter anderem wurde er wegen seines Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen kritisiert. Papst Franziskus hatte ihn vor einiger Zeit aufgefordert, einen Rücktrittsantrag zu stellen. Wölki hat es geschafft. Ob er sie annimmt, hat der Papst noch nicht entschieden – stattdessen will er warten, bis sich die Lage im Erzbistum Köln beruhigt hat.
Viele Beobachter glauben, Franziskus wolle sich vor allem deshalb nicht von Woelki trennen, weil er der wichtigste Gegner des aktuellen Reformprozesses der deutschen Katholiken, des Synodalen Weges, sei. Diese Erneuerungsbemühungen werden auch von Franziskus selbst mit äußerster Skepsis verfolgt.
Woelki selbst hat immer seine Entschlossenheit gezeigt, seinen Posten nur dann zu verlassen, wenn der Papst ihn zurückruft. (dpa)