
Stand: 18.01.2023 05:07
Deutschlands Schulen kämpfen nicht nur mit Personalmangel, die Lerndefizite sind nach wie vor gravierend. Das aktuelle deutsche Schulbarometer zeigt, woran das Schulsystem derzeit leidet.
An den Schulen in Deutschland sind derzeit drei zentrale Herausforderungen zu bewältigen: Fachkräftemangel, Lerndefizit und Aufnahmefähigkeit. Das zeigt zumindest das heute veröffentlichte Deutsche Schulbarometer. Im Auftrag der Robert Bosch Stiftung werden Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen befragt.
Das Meinungsforschungsinstitut „Forsa“ hat die aktuelle Stichprobe zwischen dem 31. Oktober und dem 16. November 2022 durchgeführt, erstmals nur unter Schulleitungen. Insgesamt nahmen 1055 Schulleiter an der Umfrage teil.
Personalmangel verdeckt alle Probleme
Problem Nummer eins ist für zwei Drittel der Befragten der Personalmangel. Die oft angeprangerte schleppende Digitalisierung, schlechte technische Ausstattung, zu viel Bürokratie oder ein zu hoher Arbeitsaufwand fallen im Vergleich weit weg. Nur etwa ein Fünftel der Befragten nannte diese Aspekte als ihre größte Herausforderung. Mehrfachnennungen waren möglich.
Das Corona-Virus und die damit verbundenen Maßnahmen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Im Deutschen Schulbarometer vom April 2022 galt die Corona-Pandemie noch als vordringlichste Aufgabe.
Falk Radisch, Professor für Schulpädagogik an der Universität Rostock, sagt, dass der Personalmangel alles überdeckt und auf absehbare Zeit nicht zu beheben sei. Dafür gibt es auch wissenschaftliche Belege.
Die Bildungsdezernentin der Robert Bosch Stiftung, Dagmar Wolf, sieht Bürokratie als Entlastung: „Es ist ein wichtiger Schritt, das Thema Verwaltung in den Schulen neu zu denken und das Verwaltungspersonal stärker in den Schulen zu verankern.“ Gleichzeitig muss der Lehrerberuf aber wieder attraktiver werden.
Lerndefizite: Mehr als ein Drittel hinkt hinterher
78 Prozent der Schulleiter sagen, sie seien nicht in der Lage, Schüler angemessen zu unterstützen. Das wird auch beim Thema Lerndefizite deutlich: Befragte schätzen, dass derzeit 35 Prozent der Studierenden zu spät kommen. An Schulen in sozial schwieriger Lage wird die Quote sogar auf knapp zwei Drittel geschätzt. Corona-Hilfsprogramme haben offenbar ihre Ziele verfehlt.
Nur 32 Prozent der Schulleitungen gaben an, dass die Arbeit am fehlenden Unterricht den gewünschten Effekt hatte. 70 Prozent der Befragten wünschen sich dafür mehr Mittel.
Die Schulen sind auf ihre Aufnahmekapazität beschränkt
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Flüchtlingsbewegung wirken sich auch auf Deutschlands Schulen aus. Mit Stand März 2022 kommen laut Schulleitern etwa gleich viele Schüler aus der Ukraine wie aus allen anderen Ländern. Auch deshalb sieht rund ein Viertel der Befragten ihre Konsumkapazitäten in den Schulen als erschöpft an.
Zudem gaben 27 Prozent an, dass die Kapazitätsgrenze bereits überschritten sei. Mehr als die Hälfte der Schulen konnte nicht mehr neu zugewanderte Schüler aufnehmen. Besonders betroffen sind Schulen in sozial schwierigen Situationen.
Oft ist die Sprachunterstützung nicht gewährleistet
Für viele Kinder und Jugendliche, die aus dem Ausland in Deutschland eine Schule besuchen, ist die Förderung der deutschen Sprachkenntnisse besonders wichtig. Aber selbst das kann nach Angaben der Schulleitung in mehr als der Hälfte der Schulen nicht gewährleistet werden.
Die Situation in den Grundschulen ist dramatisch: 71 Prozent können laut Daten des Deutschen Schulbarometers keine ausreichende Sprachförderung gewährleisten. Auch Thilo Engelhardt, Schulleiter der Waldparkschule Heidelberg und Träger des Deutschen Schulpreises 2017, sieht hier die Kapazitätsfrage als wichtig an: „Momentan fallen bei einer Krankheitswelle zunächst Sprachförderungsangebote aus, damit die regulärer Unterricht geht nicht von alleine.”
Das Deutsche Schulbarometer ist als Stichprobenerhebung konzipiert und kann daher wissenschaftlichen Standards nicht in allen Punkten genügen. Aber es bietet einen Überblick über die aktuelle Situation an Deutschlands Schulen.